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Transkript der vierten Sendung

Auch diesmal haben wir für euch wieder ein beinahe vollständiges Transkript.

Hallo mal wieder hier bei Frequenz A – nun schon unsere vierte Ausgabe! Da es draußen zu kalt ist um irgendwas zu machen haben wir unsere Köpfe zusammengesteckt und unsere Ideen zusammengeworfen wie wir in der kommenden Zeit noch öfter und regelmäßiger eine Sendung für euch schrauben können. Wir sind schon gespannt ob das so klappt!
Bei all dem Nachdenken haben wir leider unser supersicheres GPG-Passwort vergessen. Es blieb uns nichts anderes übrig als einen neuen Key zu erstellen – bitte ladet euch den von unserer Seite bevor ihr uns schreibt, dann können wir’s auch lesen…
Heute erwarten euch im Hauptteil der Sendung gleich drei Interviews. Ein Gespräch mit einem Gefährten aus Portugal über die Lage vor Ort, Polizeigewalt und die Rolle von autonomen Zeitungsprojekten. Der ersten Teil einer brandaktuellen Gesprächs-Serie zu Geschichte und Lage der anarchistischen Bewegung in Chile – Teil 2-4 findet ihr auf unserem Blog. Ein Interview mit Andreas Krebs über die erste Zeit nach dem Knast.

Für Feedback und natürlich auch um was beizutragen erreicht ihr uns wie immer unter Frequenz_A@riseup.net
Ein Transkript der Sendung und weiterführende Links zu allen Themen findet ihr auf unserem Blog frequenza.noblogs.org – wir freuen uns übrigens wirklich sehr wenn ihr den weitersagt!

News

Seit dem Mord an Michael Brown haben die Unruhen in Ferguson, St. Louis nicht aufgehört. Jetzt hat eine Grand Jury beschlossen seinen Mörder nicht anzuklagen. Genauso ist es auch bei Eric Garner, der im Juli von einem Polizisten ermordet worden ist. Während dessen wird in den USA alle 28 Stunden ein Schwarzer von einem Bullen ermordet. In nächtlichen riots und Blockaden, die unter anderem ganz New York lahm legen geben die Menschen ihrer Wut gegen ein rassistisches System Ausdruck, das nicht mal mehr vorgibt gerecht zu sein.

Obwohl wir die nächsten zehn Sendungen mit diesem Thema füllen könnten, wollen wir es hier dabei belassen. In den nächsten Wochen veröffentlichen wir statt dessen ein ausführliches Interview mit Mitstreiter_innen aus Ferguson.

Polizist_innen sind Mörder_innen – überall. Am 26. Oktobers 2014 wurde Rémi Fraisse bei Zusammenstößen nach einer Kundgebung gegen das Staudammprojekt auf dem Gelände der ZAD (Zone a defendre) von der Polizei mit Granaten ermordet. Die Proteste der folgenden Wochen zeigten, dass Remis Tod nicht einfach hingenommen wird und dass sein Kampf weiter geführt wird – auf der ZAD und überall dort wo Menschen sich gegen ein System wehren, das über Leichen geht.
Auch hier können wir den Geschehnissen in keinster Weise gerecht werden, obwohl wir ihnen gerne all den Platz den wir haben geben würden. Aber da wir es immer besser finden, direkte Berichte zu haben, versuchen wir auch hier in der nächsten Sendung mit jemandem zu sprechen, die/der mehr von den Protesten mitbekommen hat, als in den Medien zu lesen war.

1978 begann die Rodung des Hambacher Forst um dort Braunkohle abzubauen. Seit über zwei Jahren gibt es nun im Rahmen des Widerstands gegen den Braunkohletagebau durch die RWE Waldbesetzungen. Auch wenn diese immer wieder geräumt wurden ist der Widerstand ungebrochen die Aktivist_innen vor Ort haben einen langen Atem.

Nach der Blockade von Rodungsarbeiten am 18. November wurde ein Aktivist mit dem Vorwurf „schwere Körperverletzung“ festgenommen. Felix sitzt immer noch im Knast, seine Freund_innen rechnen damit, dass er bis zu seinem Prozess nicht aus der U-Haft entlassen wird. Unterstützt Felix wo ihr könnt, schreibt ihm – seine Adresse findet ihr auf dem Hambacher Forst Blog – macht Aktionen und schafft Öffentlichkeit.

Auch die Räumungen gehen weiter. Am 4. Dezember 2014 wurde die Besetzung „Neuland“ geräumt – lest die ausführlichen Berichte auf dem Blog. Der Widerstand geht weiter, wir sind uns sicher: Nach der Räumung ist vor der Besetzung.

hier folgte eine Collage von der Demo „Hausbesetzungen durchsetzen und verteidigen“ am 6.12.2014 in Hamburg

Frequenz A war auf Reisen und hat sich mit einem Genossen aus Portugal getroffen. Dabei ging es um das kollektive Zeitungsprojekt mapa, aktuelle Themen in Portugal, die dortige Polizeigewalt sowie die Rolle von autonomen Zeitungsprojekten. Aber zuerst zum Projekt selber:

Ok, wir nennen es mapa. Die Übersetzung könnte sein, bzw. der Untertitel lautet: Zeitung für kritische Information, was auf Portugiesisch eine klareren Sinn ergibt. Grundsätzlich ist es eine Zeitung, die seit zwei Jahren existiert. Wir sind ein breites Kollektiv, das versucht ein Medien-Projekt zu gestalten, das weit verbreitet und verteilt wird. Aus einer libertären Perspektive heraus, aber ohne spezifisch anarchistisch zu sein. Das ist die hauptsächliche Definition.
Aber wir erfinden uns permanent neu und versuchen das Projekt ständig zu diskutieren. Was bedeutet, dass es an einem bestimmten Punkt etwas anderes werden könnte. Aber im Grunde ist es eine Zeitung, die den Fokus auf sehr konkrete Situationen und Episoden legen will und eine klare Analyse, man könnte sagen einer autonomen Perspektive in dem Sinn, dass wir keine Institution unterstützen, dass wir uns auf keine Partei und vertikale Organisationen berufen, an die Öffentlichkeit bringt.
Das sind unsere hauptsächlichen Prinzipien.

Und für wen schreibt ihr die Zeitung?

Unser Wunsch ist es für alle zu schreiben. Wie wir im ersten Editorialtext geschrieben haben, schreiben wir für die Gesellschaft, das ist unser hauptsächliches Bemühen. Wir strengen uns sehr an Artikel zu gestalten oder nach Beiträgen zu fragen, die von jedem gelesen werden können, verstehst du? Es gibt in Portugal viele Menschen die weiterhin Zeitungen, vor allem in Papierform, lesen und das ist ein sehr effektiver Weg um zu kommunizieren. Grundsätzlich schreiben wir für alle. Jung und alt – es spielt keine Rolle wo du her kommst. Und seit wir über spezifische Themen schreiben, gibt es auch mehr Interesse in kleineren Städten. Zum Beispiel gab es viele Menschen, die uns aus kleineren Städten kontaktiert haben, weil wir manchmal wie zum Beispiel jetzt einen Artikel über den Bau von Hochspannungsmasten im Norden veröffentlicht haben. Einige dieser Artikel erscheinen also im richtigen Kontext, weil sie auf lokale Realitäten fokussiert sind.

Und wie sind die Reaktionen der Leute- bekommt ihr Reaktionen?

Ja, grundsätzlich gab es viele Reaktionen, die meisten gute. Diejenigen, die mapa nicht mögen sagen wahrscheinlich nichts, aber von Seiten der Menschen, die es mochten und vor allem von denen, die es als wichtig und nützlich betrachten gab es große Unterstützung. Wir bekommen viele Anrufe von Leser_innen aus ganz Portugal, die verteilen wollen und fragen wie sie etwas beitragen können – Menschen, die wir nicht kennen, die mapa von Freunden bekommen haben, es in lokalen Läden gefunden haben, die es aus dem Internet haben. Deswegen denke ich, dass es eine große Chance ist. Etwas, das ein Weg sein kann mit vielen Menschen zu kommunizieren und so wirklich zum Instrument für Kommunikation werden kann, in dem Sinne, dass es immer mehr Verbindungen zu den Menschen schafft, die es lesen.
Es ist also ziemlich klar, dass es viele Menschen gibt, die uns mögen.

Und wie druckt und verteilt ihr die Zeitung?

Wir drucken sie bei einer kommerziellen Druckerei und wir drucken 3000 Ausgaben alle zwei Monate, aber natürlich ist es eine freiwillige Arbeit, deswegen dauert es manchmal zwei einhalb, drei Monate. Wir würden es gerne besser planen, aber manchmal ist das nicht möglich. Und dann haben wir eine Netzwerk von Plätzen, an denen mapa verteilt wird – wir legen die Zeitung in öffentlichen Orten, Zeitungsläden, Buchläden, Cafes und Bars aus. Wir bringen sie an Universitäten, wir bieten sie lokalen Cafes und Vereinen an. Und wir bringen sie umsonst zu Orten, wo gemeinsam gelesen wird – das können Cafes oder Restaurants und so sein.
Und dann haben wir dieses informelle Netzwerk von Menschen, die zwanzig, dreißig Ausgaben erhalten und in ihren eigenen Netzwerken verkaufen.
Das ist eine neue Realität – Oder nein, es ist eine alte Realität, an die wir nicht mehr gewöhnt sind, weil man heute einfach im Internet Sachen veröffentlichen kann und es erreicht Menschen.
Hier müssen wir tatsächlich Gewichte besprechen, weiß du, es handelt sich um viele Kilo und du musst zwanzig an eine Person geben und es braucht eine Woche, bis es irgendwo ankommt. Also ist es eine Art gemeinsames Bemühen für mehr als nur die Menschen im Kollektiv. Es gibt Probleme mit der Verbreitung und es ist ziemlich hart, aber ich denke mit der Zeit haben wir eine flüssigere Struktur um Sachen zu verteilen. Das wird höchstens noch ein Jahr dauern bis es effektiv läuft.

Vielleicht kannst du etwas über die aktuellen Themen erzählen

Ich glaube, die Ausgabe mit dem besten Timing, die wir gemacht haben ist meiner Meinung nach- und das ist nur meine, andere Mitglieder des Kollektivs können andere haben- als die Cops einen Jugendlichen ermordet haben. Es gab eine Verfolgungsjagd an einem Samstagnachmittag in einem Viertel in Setubal und das hat eine Massenunruhe verursacht. Das sind Viertel, die permanent von der Polizei angegriffen werden. Das hat vor einem Jahr stattgefunden, im März 2013, dieser Jugendliche ist an einem Samstag gestorben und wir haben gerade unsere Zeitung fertig gemacht, in der wir schon an einem Spezial über Repression, Polizei und Kontrolle gearbeitet haben. Am Ende haben wir versucht es an dem Tag rauszubringen, an dem zu einer Demo aufgerufen wurde. Das hat tatsächlich viele Verbindungen zu den Menschen aus diesem Viertel geschaffen und es war wirklich- wie sagt man- nachhaltig. Es war sehr nachhaltig. Wir versuchen immer diese Art von Dynamik zu haben. Und ich denke solche Zeitungen sollten sie nutzen um eine Art von sozialer Mobilisierung zu unterstützen. In diesem Fall, in dieser Stadt, war das sehr wichtig.

Letzten Endes machen wir es auf unsere Weise mit vielen Problemen, aber ein Teil der Zeitung, nicht alles, ist dazu bestimmt, Artikel zu veröffentlichen, die etwas mit sozialer Mobilisierung oder lokalen Kämpfe, die überall in Portugal stattfinden zu tun haben. Wir versuchen viel zum Beispiel über fracking zu reden, das hydraulische Aufreißen des Bodens, eine Realität, die sich gerade über ganz Europa ausbreitet. Und natürlich gibt es auch große Pläne für Gasgewinnung in Portugal, also ist es unser Plan weiterhin darüber zu berichten. Wir schreiben auch ständig über Polizeigewalt und Repressionsthemen, weil auch das ein wichtiges Thema in Portugal ist. Es gibt die ganze Zeit Einsätze im öffentlichen Verkehr wie zum Beispiel in Lissabon.
Mit der Situation der Krise wird die Polizei- oder war es schon immer – noch brutaler, also ist es sehr wichtig, dass es eine öffentliche Meinung gegen die Gewalt von Polizist_innen und gegen Polizei gibt. Und ich denke, dass unsere Zeitung fantastisch dazu da sein kann, diese Analyse zu verbreiten. Daneben versuchen wir immer aktuell über den Gentrifizierungsprozess zu berichten- territoriale Besetzungen und das Bauen von Ressorts ist eines der Hauptprobleme in Portugal. Viele Gebiete im Süden von Portugal, in der Nähe von Stränden werden privatisiert und gekauft. Es gibt viele, viele Projekte um neue Ressorts, Hotels und Golfanlagen zu bauen. Also sind wir die ganze Zeit auch an diesen Themen dran. Und wir nehmen immer auch externe Beiträge auf, sie sind ein Teil der Zeitung, der immer davon abhängt was Menschen dort veröffentlichen wollen.

Ich habe gehört dass es einen Angriff der Polizei auf den Tattoocircus dieses Jahr hier gab, vielleicht kannst du dazu was sagen?

Es hab eine Soli Tattoo Veranstaltung und im Zuge dessen ein Konzert hier in Setubal und an einem bestimmten Punkt in der Nacht ist die Polizei aufgetaucht um rechtliche Sachen für das Konzert zu kontrollieren, da war noch alles ok. Nach einer Weile sind sie dann mit mehren Wagen aufgetaucht und haben angefangen Leute zu durchsuchen und an die Wand zu stellen. Und an einem bestimmten Punkt, dass ist klassisch, fingen sie an immer gewalttätiger zu werden. Leute fingen an zu reagieren, weil es unmöglich ist nicht davon angepisst zu werden und sie haben angefangen alle anzugreifen, mit Pfefferspray zu attackieren, zu verprügeln, auch die Kinder. Am Ende sind vier Personen auf die Wache gebracht und angeklagt worden.
Aber sowas passiert oft. Jetzt ist es bei einem öffentlichen Konzert passiert, wo Menschen das mitgekriegt haben. Aber in Setubal und südlich vom Tejo Fluss und auch in Lissabon und Umgebung passiert sowas jeden Tag. Es gibt Viertel, die unter permanenter Besetzung stehen, wo die Polizei komplett frei ohne jegliche Einschränkung agiert. Es ist sehr hart. Es gibt dies betreffend eine Wand des Schweigens. Und es ist sehr wichtig, dass der Prozess von Repression in der Gesellschaft, ob es Repression gegen protestierende Arbeiter_innen einer Fabrik, gegen Kinder, die vor der Schule protestieren, die Repression gegen Demonstrationen oder gegen Datenbanken von Menschen ist.
Es ist sehr wichtig, dass wir das aus einer größeren Perspektive betrachten, was heißt zu sehen, dass es die gleiche Macht ist, die diesen Terror auf die Gesellschaft ausübt und es ist sehr wichtig, dass Menschen die von dieser staatlichen Repression an verschiedenen Orten betroffen sind, erkennen können, dass die Herkunft dieses Problems die gleiche ist. Und vielleicht kann unsere Zeitung eine Funktion haben dabei mitzuhelfen.

Und wie ist die Situation, gibt es Widerstand?

Ja, es gibt viel Widerstand. Das ist genauso normal wie die Polizeiangriffe. Es gibt nicht viel öffentlich organisierten Widerstand, wenn etwas passiert gibt es normalerweise Demonstrationen, Texte, Aufrufe. Aber es gibt viele versteckte Geschichten, von denen wir nichts wissen, es gibt viele Menschen, die ihren eigenen Widerstand in ihrem Alltag, in den Vierteln leben. Das ist nicht etwas, das wir wissen können, wenn wir nicht dort sind. Aber natürlich wenn man an bestimmte Plätze geht, ist dort jeder widerständig. Manche Menschen wehren sich tatsächlich viel, ich glaube sie wehren sich immer, all die Jahre. Aber organisierte soziale Mobilisierung… ja, davon könnte es mehr geben. Es könnte permanenten Protest aus der Gesellschaft geben. Es gibt nicht so viel wie es geben könnte.

Teil 1 der Gesprächsreihe zur anarchistischen Bewegung in Chile ist nicht transkribiert.

Gefangene (und heute auch ex-Gefangene)

Hallo. Wir hatten euch in unserer letzten Sendung von der bevorstehenden Entlassung von Andreas Krebs erzählt und freuen uns nun, ihn in Freiheit begrüßen zu können. Hallo Andreas!

Hallo erstmal.

Ja, wir dachten wir sprechen einfach mal mit dir über deine ersten Eindrücke die du so hattest in Freiheit. Wie war das für dich als du rausgekommen bist?

Ja, Reizüberflutungen pur. Große Menschenansammlungen gingen mal gar nicht, oder Einkaufen, Kaufhäuser… Das war schon extrem viel für mich. Ja und ich kann oft nur in Begleitung raus. Also längere Strecken oder so, oder Einkaufen, größere Einkäufe zu machen oder so etwas nur in Begleitung. Immer noch, jetzt auch nach vier Wochen, die ersten zwei Wochen das war richtig krass. Ich war ja emotional, gewisse Sachen haben mich emotional sehr mitgenommen, teilweise dann auch Aggressionen. Ich hab mich die ersten Wochen schon dabei erwischt, wo ich mich dann komplett distanzieren musste. Ich bin in mein Zimmer und hab mich abgeseilt, ich konnte nichts sehen und nichts hören weil es mir einfach zu viel war. Ja, es ist sehr schwierig. Und am Anfang auch Sprachaussetzer, ganz schlimm, gerade am Anfang. Bedingt durch die Isohaft oder so, hast du dann voll Sprachaussetzer. Hast keinen zum Reden, kannst dich nicht austauschen oder nichts, da war das schon viel wert dass ich das Telefon illegal gehabt habe.

Stimmt, das hattest du ja auch schon.

Ja, das war mal genial (lacht).

Das heißt, du hattest ein Telefon am Schluss illegal dir im Knast beschafft und konntest dann so ein bisschen Anfangen mit Leuten draußen zu kommunizieren und zu telefonieren.

Die letzten zwei Monate hab ich ein Telefon gehabt, ja, und dann hab ich da natürlich meine Kontakte besser gepflegt, aufrecht erhalten, da keine Entlassungsvorbereitung gemacht worden ist hab ich viele Sachen selber gemacht, es war sehr viel Wert das Telefon. Also es ist, hauptsächlich Nachts, da wusste ich die Pfeifen kommen nicht. Da sind sie zu faul. Und da, das war sehr wichtig für mich das Telefon, das war quasi meine Entlassungsvorbereitung.

Ja, du sagtest du hast keine Entlassungsvorbereitung bekommen, du hast so weit ich weiß mal einen Antrag oder eine Beschwerde eingereicht bei der Anstalt und da ist nichts draus geworden, oder die haben sich einfach nicht darum gekümmert, dass du so was wie Freigang oder so etwas bekommen hattest.

Die Anstalt hat das komplett ignoriert. Ich weiß durch Bedienstete es wurde zwei Mal eine Konferenz abgehalten wegen meiner Sache. Keiner wollte die Verantwortung übernehmen. Offiziell wurde mir das gar nicht mitgeteilt und dann war es am Schluss so, dass man sich meiner einfach entledigt hat. Die Anstalt wäre verpflichtet gewesen neu zu entscheiden, sie ist der Sache also vom Gericht nicht nachgekommen, der Aufforderung vom Gericht und was haben sie gemacht, haben mich halt schnell abgeschoben nach Billwerder, also bin ich nach Hamburg verlegt worden.

Du warst ja zuletzt in Aschaffenburg gewesen und dann hatten sie dich die letzten drei Wochen nach Hamburg verlegt.

Ja, genau. Angeblich hätte das Ministerium jetzt erst entschieden, weil die einzelnen Ministerien für mich zuständig waren und, ja dann wurde ich da hoch verlegt. Also Billwerder hat noch nicht einmal gewusst wer auf sie zukommt (lacht) weil es ist so, Berlin hat ja abgelehnt, die wollten mich nicht haben, kann mir das gar nicht erklären und obwohl die Ministerien dafür waren und in Hamburg war es dann so, bloß dass die Anstalt nicht Bescheid gewusst hat über mich. Erst danach dann, wo sie mir dann die Zelle zerlegt haben.

Ja, also du sagtest am Anfang war es relativ schwer für dich draußen bei größeren Menschenansammlungen. Was ist das dann für ein Gefühl, ist das so eine Beklemmung, dass es dir zu eng wird alles, oder dass es einfach schwierig ist sich dann auf die einzelnen Eindrücke zu konzentrieren, oder wie kannst du das beschreiben?

Beengt, sehr beengt und Angst, irgendwie vor so vielen Leuten. Auch heute noch. Ich beobachte sehr viel, die Augen können, ich kann so viele Eindrücke wie auf mich wirken kann ich gar nicht verarbeiten. Auch heute noch, ich brauche nach jedem Spaziergang oder so, ich war heute zum Beispiel ein bisschen weg und danach brauchte ich meine Ruhe. Es geht nicht, eine Stunde raus, dann komm ich zurück und muss erstmal relaxen. Dann muss ich das erst alles wirken lassen weil die Eindrücke noch so krass sind, wie schon gesagt immer noch. Und ich würde ganz klar sagen ich habe einen absoluten Treffer schon weg, ja, das ist offensichtlich Leute die mich kennen, vom Verhalten manchmal nur als Beispiel, ich hatte letztens Pizzaabend gemacht, da hatte ich gekocht, und mittendrin dann wurde ich abwesend und musste dann raus, ich musste den Raum verlassen, ich musste dann hoch und ich hab dann einfach eine Stunde für mich gebraucht denn mir war das alles zu viel und zu viel Leute. Es haben aber, was cool war, die Leute haben so viel Feingefühl, da wo ich mich befinde dass die sofort gemerkt haben, alles klar, jetzt braucht er eine kurze Auszeit. Sie haben das also gemerkt, keine dummen Fragen gestellt ‘Andi was ist los?’ sondern haben gesehen ‘Hopala’ und sie wissen ja woher das kommt, ich kann nichts dafür, das haben die aus mir gemacht.

Aber ich meine was heißt immer noch, du warst insgesamt glaube ich über 16, fast 17 Jahre im Knast, zum großen Teil auch in Isolation oder häufiger mal Isoliert – jetzt bist du einen Monat draußen, es ist relativ klar, dass das ein längerer Prozess ist erstmal wieder mit mehr Menschen überhaupt umgehen zu können. Ich meine das ist unvorstellbar was so ein Knastapparat aus einem machen kann.

Es geht ja darum viele Leute sagen okay, der ist jetzt im Knast, jetzt kommt er raus und dann ist die Sache erledigt. Es geht ja nicht bloß um mich, es geht auch um viele andere die rauskommen und diese Erfahrung gemacht haben, was komplett ignoriert wird. Mir ist das sehr wichtig, daher rede ich auch offen darüber. Ich verstecke mich nicht oder schäme mich, aber wenn ich sage das und das hat mich emotional angegriffen oder so, zum Beispiel bin ich ins Kaufhaus rein, paar Klamotten gebraucht und so und dann – ich hätte heulen können, so krass war das für mich. Ja, also das ist aber wichtig, ich schäme mich selber dafür nicht, aber ich teile das einfach deswegen mit weil es auch viele andere betrifft. Aber bisher ist in der Richtung auch zu wenig gemacht worden finde ich. Und das wird auch noch länger dauern, ich brauche noch einiges an Zeit. Obwohl ich mich gut entwickelt habe und schon ein bisschen selbstständiger geworden bin.

Ja, vielleicht kommen wir noch auf einen anderen Punkt zu sprechen und zwar wurdest du ja nach deiner Entlassung sozusagen unter ‘Führungsaufsicht’ gestellt. Vielleicht kannst du erstmal für die Hörer_innen die eventuell nicht wissen was Führungsaufsicht ist ein Stück weit erklären was denn die Führungsaufsicht ist.

Führungsaufsicht ist wenn jemand Endstrafe macht, mindestens zwei Jahre verbüßt hat, kann er vom Staat unter Führungsaufsicht gestellt werden. Da gibt es dann auch den roten Stempel noch, den ‘R-Probanden’ also ‘Risiko-Proband’, den habe ich, da ist es so dass man Auflagen bekommt, in meinem Fall – manche sagen ‘nur’ Arbeitswechsel und Wohnortwechsel – und du musst dich da jeden Monat melden, das ist quasi wie Bewährungshelfer, nur ‘Führungsaufsicht’. Wenn ich dagegen verstoße droht mir vom Gesetzgeber eine Haftstrafe bis zu drei Jahren. Ich habe schon vor einigen Jahren angekündigt in meinem Bekanntenkreis und bei meinen Freunden und so, dass ich der Sache niemals nachkommen werde, niemals. Und ich bin so vom ersten Tag an, nach meiner Haftentlassung in die Illegalität. Und dabei bleibt es auch und es wird sich auch nicht ändern und sollten sie mich, klare Ansage, sollten sie mich bekommen und mich wieder unter Führungsaufsicht stellen, mache ich es wieder, ich werde niemals klein beigeben, niemals, keine Chance. Ich lasse mich vom Staat nicht kontrollieren, ich hab meine Strafe verbüßt, bis zum letzten Tag und fertig und ich bin keinem Menschen irgendeine Rechenschaft schuldig, das läuft nicht.

Die Führungsaufsicht ist schon ein recht krasses Instrument, die kann ja auch total in den Alltag eines Ex-Häftlings eingreifen, das geht ja so weit dass Leuten vorgeschrieben werden könnte, dass sie keinen Alkohol trinken dürfen, ihr Viertel nicht verlassen dürfen…

Genau, ich habe auch den Fall gehabt, sie dürfen einen gewissen Bekanntenkreis nicht mehr pflegen, die Freundschaften, hab ich alles erlebt. Uks, heißt Urinkontrollen und dies und jenes…Ich sehe das einfach nicht ein, ich lasse mich vom Staat nicht überwachen, es interessiert mich nicht. In Haft bin ich rigoros gegen alles vorgegangen und genauso mache ich das auch hier draußen. Ich werde es ihnen auf jeden Fall nicht einfach machen. Todsicher.

Das heißt du sagst du bist in die ‘Illegalität’ gegangen, du wirst dich nicht melden einmal im Monat bei der Führungsaufsicht, beim Amt

Ich hätte ja da hingehen können, wir hätten ja darüber diskutieren können, bei der Führungsaufsicht: ‘passen sie auf, ich bin damit nicht einverstanden.’ aber selbst das kommt für mich nicht in Frage, es gibt keine Diskussion, denn ich bin hier keine Rechenschaft schuldig oder muss irgendeine Erklärung abgeben. Und, ja genau, da bin ich einfach abgetaucht, fertig. Ja und meine Entscheidung habe ich schon vor einigen Jahren angekündigt und so ist es auch jetzt. Interessant ist, dass man mich ohne Ausweispapiere entlassen hat. Von Amts wegen wurde ein Personalausweis gemacht, dieser neue, mit Fingerabdruck und so und den habe ich bei der Entlassung plötzlich nicht bekommen, der wäre angeblich nicht auffindbar. Also das alleine schon, also entweder war es Absicht, damit ich mich nicht ausweisen kann oder was auch immer. Also das ist schon merkwürdig, aber gut, dann ist das eben so.

Ansonsten, wie fühlst du dich denn in deinem Umfeld in dem du dich im Moment bewegst? Hast du das Gefühl, dass die Leute um dich rum dich gut unterstützen, dass die für dich da sind?

Ja, ich bekomme breite solidarische Unterstützung in fast allen großen Städten. Und ich habe viele Leute auf meiner Seite die den Kampf unterstützen. Darüber bin ich auch sehr dankbar. Alleine würde ich das gar nicht so schaffen.

Ja, das freut uns natürlich zu hören, dass du das Gefühl hast dass du bei deiner Entscheidung Menschen um dich rum hast die dich unterstützen und die auch ein Stück weit die Probleme die die Regenerationsphase nach dem Knast so mit sich bringt auffangen können.

Ich hab, trotz der Vorsicht auf der Straße oder wenn ich da oder da schlafe, aber trotzdem fühle ich mich sauwohl. Und jetzt kann ich sagen: ‘Ich lebe.’ Das ging vorher nicht. Aber ich hab keine Angst oder so, das braucht sich hier auch keiner einbilden, also ich nehme das ziemlich locker, natürlich vorsichtig, aber wie schon gesagt ich bin Happy und vor allem Dankbar für die Leute die an meiner Seite sind. Das ist ganz wichtig.

Ja, das freut uns natürlich zu hören, dann denke ich wünsche ich, wünschen wir dir erstmal weiterhin alles gute in der ‘Freiheit’ oder den Freiheiten, also draußen gibt es ja auch nicht die Masse an Freiheiten aber dennoch um einige mehr als drinnen und danken dir für das Gespräch. Wenn du noch irgendwas loswerden willst: Hau es raus.

Also ich will mich einfach noch einmal bedanken für die ganze Unterstützung die ich während der Haftzeit erfahren habe und auch danach, da bin ich sehr Dankbar. Solche Freunde an meiner Seite zu haben, mit so viel Verständnis, denn die Leute haben ja jede Phase von mir durchgemacht sowohl im Knast, auch hier draußen und da kann man echt stolz drauf sein. So was kannte ich vorher nicht.

Kommen wir nun zu einem aktuellen Thema von, wie wir finden enormer Wichtigkeit. In Griechenland befindet sich der Anarchist Nikos Romanos seit dem 10 November – also nun beinahe einem Monat in einem Hungerstreik.

In der Erklärung, die Nikos vor seinem Hungerstreik veröffentlichte , hatte er angekündigt Seinen Körper als Barrikade einsetzen zu wollen und den Streik bis zum Sieg oder seinem Tod fortzusetzen. Vordergründig kämpft Nikos für die Möglichkeit auf Freigang um sein Studium, für das er sich eingeschrieben hat, antreten zu können. Durch seine Texte, die veröffentlicht wurden, hat er jedoch von Anfang an klar gemacht, dass es ihm bei seinem Kampf um weit mehr geht. Nikos ist einer von 4 Anarchisten, die im Zusammenhang mit dem doppelten Raubüberfall in Velventos/Kozani  verhaftet wurden und Teil einer griechischen anarchistischen Bewegung sind. Nikos befindet sich nun seit einigen wochen im Krankenhaus, in welches er auf Grund seines kritischen Zustandes verlegt wurde.

In Griechnland aber auch weltweit bekundeten tausende ihre Solidarität und versuchten mit unterschiedlichen Mitteln den Forderungen der Hungerstreikenden Nachdruck zu verleihen – was bisher jedoch nicht zur Bewilligung des Freiganges geführt hat.

Auch drinnen kämpft Nikos nicht alleine! Alle 3 Kollegen , welche mit ihm verhaftet wurden befinden sich in einemSoli-Hungerstreik. Yannis (seit dem 17.November ohne Nahrung) ist seit dem 28 November ebenfalls in ein Kankenhaus verlet worden, nachdem im zusammenhanbg mit der verweigerten Nahrungsaufnahme eine zu niedriege Herzfrequenz festgestellt worden war. Ausserdem hatten sich zwischen dem 13 und 14 November 75 Gefangene im E-Flügel des Männergefängnisesin Koridallos (Athen) in Solidarität der Nahrung enthalten.

Die ablehnende Haltung der Autoritäten gegenüber dem Anliegen der Anarchist_innenliegt unter anderem daran, dass Freigang in der Vergangenheit häufiger zur Flucht genutzt worden war und die vor kurzem verabschiedeten Verschärfungen im griechischen Knastsystem im Bezug auf „politische“ Häftlinge, weche ihnen die Möglichkeit geben diese Haltung durchzusetzen. Über die Verschärfungen , die bei weitem nicht nur die sogenannten „politischen“ Gefangenen betreffen hatten wir in einer unserer letzten Sendungen schon einmal ausführlicher berichtet.

Um den 6 Dezember – also den Tag an dem 2008 der 15 jährige Alexandros von einem Polizisten ermordet worden war – gab es den bisherigen Höhepunkt der Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Unterstützung mit den streikenden Gefangenen. Die unzähligen Aktionen an dieser Stellen aufzuzählen macht wenig Sinn aber wir werden wie immer weiterführende Links auf unserem Blog veröffentlichen. Also informiert euch und werdet aktiv! Solidarität kennt keine Grenzen!

An dieser Stelle wollen wir euch 2 weitere Gefangene vorstellen, welche seit über einem Jahr in spanischen Knästen in U-Haft sitzen.Mónica und Francisco.

Die beiden chilenischenAnarchist_innen wurden am 13 November 2013 zusammen mit drei anderen in Barcelona festgenommen. Ihnen  wird vorgeworfen, am 2ten Oktober unter dem Namen „Aufständisches Kommando Mateo Morral“ einen Brandsatz in der  Basilica del Pilar – einem Kirchenmonument mit faschistischer Tradition – in Zaragossa (Spanien) gelet zu haben. Während die europäischen Angeklagten (bzw.Menschen mit europäischen Papieren ) unter strengen Auflagen auf freien Fuß gesetzt wurden, sind  Mónica und Francisco weiterhin unter teilweise Iso-Haft-Bedingungen eingeschlossen. Begründet wird dies teilweise mit ihrer jüngeren Vergangenheit, dadie beidenin dem  sogenannten „caso bombas“ angeklagt waren von dem wir in unserem Chile  Interview der diesigen Sendung berichtet haben. Trotz der schwierigenKommunikation auf Grund der HAftbedingungen haben die beiden mehrere Texte veröffentlicht.

Vom 16 – 22 Dezember 2013 hatte es eine internationale Aktionswoche für die 5 Angeklagten gegeben, an der der Anarchist_innen weltweit mit selbstgewähleten Formen ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht hatten. Aber auch unabhängig von festgelegten Daten finden die beiden immer wieder Erwähnung in ERklärungen zu Aktionen um ein Vergessen hinter den Mauern zu verhindern und die Gefährt_innen in ihrem Kampf gegen das System zu besträrken.

Wir wollen an dieser Stelle einen Brief von Mónica vorlesen, der Ende Oktober veröffentlicht wurde.

Schreibt den Gefangenen! Ihre Adresse findet ihr auf unserem Blog.

 

Ávila Gefängnis, Spanien: Worte der Genossin Mónica Caballero

„Der Staat nennt seine eigene Gewalt Gesetz; die des Individuums Verbrechen. Gesetzesbruch demnach – so wird die Gewalt des Individuums genannt; und nur durch Verbrechen bricht es die Gewalt des Staates, wenn es denkt, dass der Staat nicht über ihm steht, sondern das Individuum über dem Staat.“
– Max Stirner

In diesen Tagen, fast 10 Monate nach meiner Einkerkerung in den Gefängnissen des spanischen Staates, musste ich diese Worte an euch liebe Genossinnen und Genossen herausgeben, die ihr für die Abschaffung jeder Autorität und die integrale Entwicklung jedes Individuums kämpft.

Heute ist Anarchismus auf der Sicherheitsebene eine der größten Sorgen vieler westlicher (und einiger östlicher) Staaten; in dieser Hexenjagd auf informelle Antiautoritäre ist alles erlaubt, diese repressive Hysterie ist der Eroberung totaler Befreiung inhärent, sie ist so alt wie die antistaatlichen Ideen. Deswegen erwartet all jene ein kurzzeitiger oder verlängerter Besuch eines der beschaulichen Monumente menschlicher Auslöschung, die versuchen, der herrschenden Ordnung entgegenzutreten oder sie auch nur in Frage zu stellen. In meinem Fall ist der Durchgang durch einige Käfige nichts Neues. Wenn jemand sich entschließt, gegen das Establishment zu kämpfen, ist Bestrafung eine der Konsequenzen. Diese Haltung geht weit über die demokratische Vision von Unschuldig/Schuldig hinaus, die keinen Platz hat in einer, die diese Welt zerstören will, welche auf Gesetzen beruht, an die ich nicht glaube. Ich erkenne keinen Richter an, ihr Gesetz verwandelt mich in eine Sklavin, ihre Justiz macht mich zur Gefangenen.

Im Innern der Gefängnisse kommt der größte Abfall der Gesellschaft ans Licht. Hier, im Innern, wird das Individuum in seinem innersten Wesen zermalmt; Erpressung und Manipulation durch die Tentakel der Macht sind vermischt mit und umgewandelt in soziale Reintegrationsmaßnahmen. Angesichts dieser Maßnahmen ist Kohärenz mein Sieg. Ich selbst zu bleiben, nicht korrumpierbar zu sein und meine Würde zu behalten, ist mein tagtäglicher Kampf.

In diesem politisch-juristisch-polizeilichen Prozess, in dem zunächst gegen eine Gruppe von Genossinnen und Genossen Beschuldigungen vorgebracht wurden und der sich schließlich auf meinen geliebten Genossen und mich konzentrierte, haben die Apparaturen der Macht die verschiedensten Tricks angewandt, von denen einige ein lächerliches Niveau erreichten. Doch die dieses System mit der Muttermilch aufgesogen haben und es zu verewigen versuchen, werden unsere Formen nie verstehen. Formen, die Hierarchien abbauen, die von niemandem Befehle akzeptieren, die wachsen und sich vermehren wie Unkraut in ihrem ruhigen und sterilen Garten. Anarchistische Ideen in ihrer Gesamtheit entwickeln sich in der Komplexität individueller Integrität. Dieses Individuum, das sich frei mit anderen Individuen assoziiert, setzt dieser verrotteten Gesellschaft ein Ende.

Die Formen und Arten, wie sich Individuen Herrschaft entgegenstellen, sind vielfältig und grenzenlos; keine ist besser oder schlechter, sie sind einfach verschieden. Kein Gegner des Staates, der oder die sich als solcher begreift, kann das, was zu tun ist, jemandem aufzwingen, geschweige denn eine Art von Auferlegung zulassen.

Auf dem Weg anarchistischer Konstruktion/Zerstörung besitzen (und wollen) wir keine Art von Handbuch oder Straßenkarte; wir erschaffen ihn tagtäglich mit unseren Genossinnen und Genossen in Affinität. Denjenigen, die glauben, dass wir Antiautoritäre buchstabengetreu den Postulaten einiger “berühmter” Genossen folgen, sage ich, dass sie überhaupt nichts verstanden haben.

Es gab und gibt immer noch eine ganze Reihe von geschätzten compañeros und compañeras, die in allen Zeiten der Menschheitsgeschichte sehr viel zum Kampf gegen die Autorität beigetragen haben; das heißt aber nicht, dass wir ihnen irgendeine Art von Kult widmen.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebend gerne würde ich öfter Worte an euch richten, doch in diesen beschränkten Umständen, in denen ich mich befinde, bin ich nicht sicher, ob ich auf diesem Wege noch einmal kommunizieren kann.

Der Prozess gegen uns wird in ein paar Monaten stattfinden; wenn dieser Moment kommt, werde ich versuchen, der Lage gewachsen zu sein und niemals meinen Kopf zu beugen.

Ich sende eine geschwisterliche Umarmung an jene, die ihre Solidarität mit uns zum Ausdruck gebracht haben; jede Geste der Solidarität leuchtet die Schatten dieser kalten Mauern aus.

An die subversiven politischen Gefangenen in den Gefängnissen des chilenischen Staates: ihr seid immer in meinen Gedanken präsent; obwohl ich so weit von euch entfernt bin, bin ich bei euch.

Und an euch, frei gewählte Brüder und Schwestern: wir werden bald wieder Blicke austauschen.

Offene Hand dem Genossen und der Genossin, geschlossene Faust dem Feind!
Tod dem Staat und lang lebe Anarchie!

(Anmerkung der Transkription: Diese Worte wurden von Mónica Anfang September geschrieben und hätten schon vor mehr als einem Monat veröffentlicht werden sollen, doch erreichten sie uns aus unbekannten Gründen erst jetzt, Ende Oktober.)

Den Abschluss bildete ein kurzer Hinweis auf den Hungerstreik von Nikos Romanos. Bitte informiert euch hier aktuell, ein Transkript unseres Beitrags ist schnell veraltet.

Ankündigungen und Schluss

Am 13.12. ruft die Anarchistische Gruppe Schwarzenbek zu einer Demonstration “Gegen die Feind_Innen der Freiheit ein. Gegen jede Autorität, gegen jede Form von Ausgrenzung und Verdrängung. Für ein Leben in Liebe, Freiheit und Anarchie! Gegen das erneute Erstarken der faschistischen Aktivitäten in der Gegend.” auf. Schwarzenbek ist ein Nest bei Hamburg, für eine gemeinsame Anreise aus Hamburg ist gesorgt. Kommt nach Schwarzenbek oder begleitet die Entwicklung solidarisch aus euren – weiter entfernten – Orten.

Nachdem am 7.12 in Berlin bereits eine Veranstaltung unter dem selben Tenor erfolgreich stattfand, wird es am 19.12. einen kleinen Überblick über aktuelle Geschehnisse in Chile im Libertären Zentrum in Hamburg geben. Los geht es schon um 18 Uhr, neben den Infos gibt es auch eine Plakatausstellung, aktuellen Materialien, Sektempfang, Fingerfood und eine Gefangenen-Schreibecke. Eine gute Ergänzung zu unserem Hintergrundbericht über die Anarchistische Szene in Chile – also hin da!

Bleibt uns zuletzt nur noch an das kommende Silvester zu erinnern. Warum das? Weil in allen größeren Städten zum Knast mobilisiert wird. Jedes Jahr. Bis alle frei sind.